Heidschnucken – die lebenden Wahrzeichen der Lüneburger Heide
Wer in der Lüneburger Heide unterwegs ist, kann vielerorts Schafe mit einer markanten Färbung entdecken: Kopf, Beine und Schwanz sind schwarz, und das auffallend lange Fell hat einen grauen Farbton, und sowohl männliche als weibliche Tiere tragen Hörner. Es sind die Heidschnucken, Vertreter einer sehr genügsamen Schafrasse, die schon beinahe zu einem Wahrzeichen der Lüneburger Heide geworden sind.
Die Heidschnuckenbeweidung leistet einen sehr wichtigen Beitrag dazu, die charakteristischen der Heidelandschaften der Lüneburger Heide und deren savannenähnlichen Charakter zu erhalten. So wird die Existenz eines natürlichen Lebensraumes gesichert, der in dieser Form in Mitteleuropa äußerst selten geworden ist und zahlreichen Pflanzen- und Tierarten eine Heimat bietet, die sie anderenorts nicht mehr finden können.
Aus dem Mittelmeerraum nach Nordeuropa
Als Landschafrasse sind die Heidschnucken schon seit vielen Jahrhunderten von Bedeutung, wenngleich die gegenwärtig bekannten Rassen erst im 20. Jahrhunderts durch entsprechende Züchtungen entstanden sind. Es wird vermutet, dass die Heidschnucke ursprünglich von Mufflons auf den im Mittelmeer gelegenen Inseln Korsika und Sardinien abstammt. Insgesamt werden bei den Heidschnucken sechs Unterarten unterschieden, von denen die „Graue Gehörnte Heidschnucke“ seit langem in der Lüneburger Heide präsent ist.
Wirtschaftlich waren die Heidschnucken lange Zeit vor allem als Lieferanten von Dünger und Wolle geschätzt, wobei die Wolle sich nur für relativ grobe Gewebe eignet – etwa zur Herstellung von Teppichen. Heute liegt die Bedeutung der Heidschnucke vor allem in ihrer Funktion für die Landschaftspflege, die wiederum mit den kulinarischen Vorlieben der Tiere zusammenhängt.
Darauf weist übrigens auch der Name hin, denn „Schnucke“ leitet sich von dem Wort „schnökern“ ab, was ein regionaler Ausdruck für „naschen“ ist. So spielt der Name darauf an, dass diese auf der Heide lebenden Schafe sich gern abwechslungsreich ernähren und aufkommende Gehölze, Gräser, aber auch das Heidekraut selbst durch regelmäßigen Verbiss kurz halten.
Fleisch mit geschützter Ursprungsbezeichnung
Als Fleischlieferanten werden die Schnucken ebenfalls sehr geschätzt, und „Lüneburger Heidschnucke g. U.“ ist eine europaweit geschützte Ursprungsbezeichnung. Auch wenn die norddeutschen Heide- und Moorlandschaften in der Lüneburger Heide nach wie vor das Hauptzuchtgebiet bilden, hat sich die leicht zu haltende Schafrasse inzwischen weit über die Heide hinaus auch in zahlreiche andere europäische Länder verbreitet. Sie ist insbesondere wegen ihres Fleisches begehrt, das sich durch einen besonderen, an Wild erinnernden Geschmack auszeichnet. Da die Schäfer mit ihren Herden jeden Tag rund zehn bis zwölf Kilometer durch die Heide ziehen, setzen Tiere – deren Gewicht bei rund 45 bis 60 Kilo liegt – praktisch kein Fett an. Deshalb eignet sich das Fleisch der Heidschnucke auch gut als delikater Bestandteil einer kalorienbewussten Ernährung. Das Halten der Heidschnucke wird übrigens durch Subventionen der Europäischen Union gefördert, um die als gefährdet geltende Rasse auf Dauer zu erhalten.
Video: Heidschnucken in der Lüneburger Heide
Zum Heidschnuckentag nach Müden (Örtze)
Wer nicht warten will, bis er auf einer Wanderung oder Radtour durch die Heide ein paar Schnucken zu Gesicht bekommt, sollte sich den zweiten Donnerstag im Juli im Kalender vormerken, denn an diesem Tag wird in Müden (Örtze) jedes Jahr der Heidschnuckentag abgehalten. Bei dieser Gelegenheit präsentieren die Züchter dem zahlreich erscheinenden Publikum leistungsgeprüfte junge Schnuckenböcke, und die besten Tiere werden mit Prämien ausgezeichnet. An die Leistungsschau und Prämierung schließt sich traditionell eine Auktion an, bei der Interessierte Heidschnucken-Böcke ersteigern können.
Doch auch wer keinen Bock ersteigert hat, muss nicht mit leere Händen nach Hause gehen. An den zahlreichen Verkaufsständen werden an diesem Tag die viele typische Produkte aus der Lüneburger Heide angeboten. So sind die Heidschnucken heute für die Region nicht nur von landwirtschaftlicher und ökologischer Bedeutung, sondern tragen auch zur Anziehungskraft der Heide auf viele Urlauber aus nah und fern bei.
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